4 Berge - 54 km - 1700 hm - 1 Ziel
Der Linzer Bergmarathon!
Samstag, 9 Uhr. Der Startschuss fĂŒr knapp 100 LĂ€ufer fĂ€llt, wĂ€hrend ich mich noch am Rande des Geschehens mit @GUracell, der um 11 Uhr den 27 Kilometer Bewerb bestreiten wird, unterhalte. Aber alles halb so wild. Auf 54 Kilometern gibt es noch genĂŒgend Zeit zum Ăberholen. Die ersten 7 Kilometer durch die Stadt und entlang der Donau sind unspektakulĂ€r. Ein bisschen einlaufen. Warm machen. Wir trippeln mit 3:55 m/km dahin. Ich ziehe nicht an â keine Ahnung was mich noch alles erwartet. Bald darauf empfĂ€ngt uns der erste Berg. Die rechte Achillessehne zieht â exakt wie vor 6 Tagen bei meinem Testlauf. Zum GlĂŒck verschwinden diese Beschwerden aber â Ă€hnlich wie letzte Woche â nach Erreichen des ersten Gipfels. Sie braucht offensichtlich im Moment immer ein wenig Zeit zum AufwĂ€rmen. Nach 10 Kilometern die erste Labe. Jetzt geht es ins Dickicht. Das Baumwolle T-Shirt wird an der Labe entsorgt: Ab sofort radiere ich im Anton Krupicka Style â allerdings ohne Brusthaare â durch das GeĂ€st. Ich komme in Fahrt und⊠verdammt⊠verlaufe mich prompt. Ich versuche einen anderen Weg. Wieder falsch. Jetzt hilft mir nur noch das iPhone: GPS Karte geöffnet. 500 Meter vom Kurs! Ich dĂŒse wie ein Irrer bergauf, finde den Weg, und muss plötzlich LĂ€ufer ĂŒberholen, die allesamt hinter mir waren. Aber damit nicht genug. FĂŒnf Minuten spĂ€ter bin ich schon wieder am falschen Weg. Lediglich eine Ă€ltere auf einem Stein angebrachte Markierung bringt mich zurĂŒck auf Kurs. Ich komme auf eine Wiese und sehe in der Entfernung die anderen Teilnehmer, und dass ich eine extra Schleife gelaufen bin. Es hilft nichts: Ich bin und bleibe der Meister der Orientierungslosigkeit, denn die Strecke ist definitiv perfekt beschildert.
ZurĂŒck am Weg komme ich zum ersten Kontrollpunkt. Ich bin extrem sauer auf mich. Hier sind lauter Mitstreiter, die mindestens 5 Minuten hinter mir sein mĂŒssten â wo sich die Spitze befindet, darĂŒber will ich gar nicht nachdenken. In dieser Situation mache ich das einzig Unrichtige: Ich ziehe das Tempo an. Die Polar springt zwischen 3:20 und 3:25 m/km. MUSE trommeln mich mit »Knights of Cydonia« in Rage. Die Strecke zwischen Pfenningberg und St. Magdalena rast an mir vorbei. Das kann nicht gutgehen. Das kann unmöglich gutgehen.
Nach 2 Stunden und 7 Minuten bin ich beim 27 Kilometer Kontrollpunkt. Die Halbmarathonis sind bereits gestartet. Jetzt geht es rauf auf die Gis. Der hĂ€rteste Anstieg. Endlos und steil, dass sogar die meisten Radfahrer zeitweise absteigen mĂŒssen. 38 Minuten spĂ€ter schlieĂe ich zu @GUracell auf. Er lĂ€uft frisch und entspannt, feuert mich an und ich ich komme wieder in einen flotten Rhythmus.
Irgendwann erreiche ich den Gipfel der Gis â dieses Jahr geht es tatsĂ€chlich bis hinauf zum Sender. Danach abwĂ€rts: 10 Kilometer durch Wald und ĂŒber Wiesen. Ich schenke mir nichts. Vor mir ein schneller Halbmarathoni. Ich hefte mich an seine Fersen und wir donnern den Berg hinunter als wĂ€ren wir unsterblich. Derweil kann hier jeder Schritt dein letzter sein. Geröll, Wurzeln, Erdlöcher. Das Gehirn auf Hochtouren, um bei einer Pace von bis zu 3:30 m/km vorausschauend Schritte und SprĂŒnge zu planen. Einige Schrecksekunden und beinahe Stolperer spĂ€ter sind wir am FuĂ des Bergs. Kurz laben und dann eine 180 Grad Kehrtwende, ehe der Weg in Richtung Pöstlingberg einzuschlagen ist. Hier kommen dann auch die ersten beiden Anstiege, bei denen ich kurz Gehen muss. Es ist einfach zu steil. Wenig spĂ€ter ist der Gipfel erreicht.
Jetzt geht es wieder abwĂ€rts. Sehr steil â und fast alles Asphalt. Bevor ich aber auf den StraĂenabschnitt neben der Pöstlingbergbahn gelange, ĂŒbersehe ich auf einem kurzen WiesenstĂŒck eine Wurzel. Ich verfange mich mit dem linken FuĂ, verliere das Gleichgewicht und fliege mit der linken Schulter voran den Hang hinunter. Ist das das Ende? Zwanzig Jahre nach meiner letzten Judo Einheit erinnert sich mein Kopf spontan daran, wie eine saubere Judo Rolle ausgefĂŒhrt wird. Ich drehe die linke Schulter ein und lande mehr oder weniger sanft, mache eine Rolle und komme wieder zum Stehen â verdreckt aber komplett unverletzt. Sogar die Ray-Ban ist in Position geblieben. Weiter!
Am FuĂ des Pöstlingbergs angekommen geht es kurz entlang der Donau, danach wird die NibelungenbrĂŒcke ĂŒberquert. 50 Kilometer geschafft. Noch knapp 5 Kilometer zu laufen. Der letzte Anstieg auf den Freinberg wird heftig. Die Batterien sind langsam leer. Und es ist wie versprochen: Die Franz-Josef-Warte, ein Turm an der Spitze des Freinbergs, ist zu besteigen. Auch schon egal: Also die Wendeltreppe hinauf. Oben wird meine Startnummer registriert â und wieder runter. Jetzt geht es nur noch fĂŒr 2,5 Kilometer abwĂ€rts, direkt in die Stadt. Ich laufe ins Ziel⊠nein doch nicht. Noch eine QuĂ€lerei! Das Ziel ist nicht am Startpunkt; erst geht es noch die 5. Etagen des Sport Eybl auf die Dachterrasse. Dann endlich: Geschafft!
Was fĂŒr ein Lauf. Unglaublich. Ich bin noch nie so weit gelaufen. Noch nie ĂŒber so viele Höhenmeter, und das bei einer durchschnittlichen Pace von 5:00 m/km. Kaum sitze ich wird der Mann mit dem Gips erstmal interviewt. Erst spĂ€ter erfahre ich: Ich bin tatsĂ€chlich Zweiter. Nur 3 Minuten vom Sieg entfernt. Alter Schwede. Und ich dachte durch mein zweimaliges Verirren sei jede Chance auf einen Podestplatz dahin. Man darf einfach nicht aufgeben. Nie.
Ich sehe aus wie ein Leckstein. Salz am ganzen Körper. Kurz darauf eilt auch schon @GUracell ins Ziel. Er wirkt mir etwas entspannt und wird nĂ€chstes Jahr wohl die ganze Distanz laufen mĂŒssen!
Mein erster Ultra Trail ist geschafft. Ich auch. Das will ich wieder machen. So schnell wie möglich.
Zielzeit: 4 Stunden 36 Minuten 26 Sekunden
Gesamtrang: 2. Platz