Challenge Roth
Der frühere Ironman Europe - ein Wechselzonenaugenschein von Regina Aichinger
Nein, liebe geneigte Leserschaft, dies ist kein Erfahrungsbericht eines dieser wirklich von mir bewunderten Tria-Athleten. Es handelt sich mit den folgenden Zeilen um den Versuch, die Eindrücke und Gedanken einer sportinteressierten, teils für einige (eigene!!) Laufschritte zu begeisternden Zuschauerin, die sich vor allem zu Wettkampfzeiten jeweils als Mental Coach, one woman Fanclub und (Spurt oder auch Sport) Fotografin versucht. Dieses Jahr war es aber auch wirklich verteufelt schwer, Mut zu fassen und loszulegen. Die Challenge Roth stand an: so Vieles war absolut neu und Einiges meiner Erfahrungen aus diesem Wettkampf möchte ich weitergeben. Die Gründe dafür? Nun, einfach mal eben so und andererseits, weil Perspektivenwechsel auch im Triathlon eine interessante Abwechslung sein kann.
Ja, wir hatten es sooooo toll geplant, der durchtrainierte und bis zur letzten Faser seines Körpers angespannte FH OÖ Sports Team Starter und ich. Haben superschlau am Samstag noch alle relevanten Locations ausgekundschaftet: also zunächst den Parkplatz am Heuberg (der eigentlich eine Parkwiese ist), Schwimmstart und Rennmaschinen-Check in, und dann auch noch die morgendliche „…dann trägst Du die Radlpumpe und kommst, wenn ich Dich brauche- Logistik“ für den gelungenen Start am Triatag höchstprofessionell durchgespielt. Selbstverständlich inkludierte unsere Challenge-Preparation die Besichtigung der Expo in Roth sowie das Einholen zusätzlicher ergänzender Zuschauerempfehlungen am Infostand. Oh ja, ich hätte es wissen müssen: bezeichnender Weise war der Infostand eigentlich eine Schaustellerbox, die mit der riesengroßen Überschrift „Glücksbude“ geziert war…..aber laut Auskunft alles easy…. frrrrrreundlich frrrrränkisch: „Schauen Sie mal, da hab ich einen Plan, da müssen Sie ein paar Meter gehen, das könnten Sie aber auch mit dem Fahrrrrrad machen, oder Sie nehmen einfach den Bus.“ FAHRRAD – ich hätte es wissen müssen.
Nun aber zum Tag x, vielmehr zum Morgen des 18. Juli 2010. Nach einer mehr oder minder durchwachten Nacht um drei Uhr morgens aufgestanden – es ist zappenduster und irgendwie fühle ich mich ziemlich mulmig. Ich habe so überhaupt keine Ahnung, was da im Verlaufe des anbrechenden Sommer-Sonnen-Tria-Tages auf mich zukommen wird. Der so schlau ausgekundschaftete Parkplatz ist um 4.20 Uhr bereits abgesperrt – Panik macht sich breit – wo soll ich jetzt mit dem Rennmaschinen- und Athletentransportfahrzeug hin? Wir landen auf irgendeiner Wiese rund um den Main-Donau-Kanal. Naja, Teil eins der Wettkampfplanung ist da eher weniger gelaufen….ich bin sauer, komme aber auch gar nicht lang zum Überlegen, raus aus dem Auto, Rucksack geschultert, Kamera, und selbstverständlich: die Pumpe. An mein Ohr dringt aus der Ferne die langsam hochbrausende Challenge-Hymne: „Weeeeee are Triaaaaaathlon…“ Wir marschieren die ersten 2 km dieses Tages zum Start. Da steh ich jetzt, mit einer Luftpumpe, rund um mich mehrere tausend aufgeregte Athleten und ihre Trainer, Bewunderer, Anfeuerer, Kinder, Hunde und was weiß ich was für Begleitwesen…..ich beginne zu zittern und mir ist eigentlich nicht klar, ob ich friere oder mindestens so aufgeregt bin, wie Christian. Das von uns beiden mehrfach durchgespielte „Durch-den-Zaun-Finger-auf das Sch…ventil des Scheibenrades-halten-Service“ erübrigt sich – ein netter, englischsprechender Franzose hat das gleiche Problem und hilft Christian: Vive la France! Und schon verschwindet der FH OÖ Sports Team Starter begleitet von allen meinen guten Gedanken und Durchhaltewünschen Richtung letzte Wettkampfvorbereitungen.
Der Start der TopathletInnen ist kaum erfolgt, da sind sie auch schon wieder aus dem Wasser…. Ich konnte mir in der Zwischenzeit – wie übrigens noch das eine oder andere Mal mehr an diesem Tag - einen Platz in der ersten Reihe der Absperrung erkämpfen (ja, ich bin kleiner als viele andere, dafür aber auch schneller…) Der Tag bricht an, die Challenge-Hymne wird in der Zwischenzeit zum x-ten Mal intoniert. Jetzt geht es Schlag auf Schlag: je mehr Athleten aus dem Wasser kommen, um so mehr leert sich die angrenzende Bike-Zone….nach und nach laufen sie über die Wiese in Richtung Bike-Strecken-Start. Der Swin-Split hat für Christian wunschgemäß funktioniert, auch der Wechsel ist vollzogen, ich habe die wichtigsten Fotos im Kasten. Ok, die erste Aufregung ist hinter mir, ich muss jetzt irgendwie zum Solarer Berg, die lokalen Insider bezeichnen diesen Abschnitt als „Stimmungsnest“….. alles klar, da muss ich hin!! Noch ahne ich nicht, dass die Wege hier bei der Challenge tatsächlich eher für Radwanderer geeignet sind…rauf und runter, hin und her, ich frage einen Passanten: „Solarer Berg – da gehen Sie die nächsten 15 Minuten geradeaus und dann immer dem Geschrei nach…“. Er hat recht – eine unglaubliche Stimmung, laute Musik, der Geruch von Bratwürsten, Bier – es ist eine wahre Volksfeststimmung. Tausende schreien sich die Seele aus dem Leib, feuern die Athleten an, heben Transparente in die Höhe und machen mit allen möglichen Utensilien Lärm, Lärm, Lärm….und….. diese mehreren tausend…. sie sind alle mit dem FAHRRAD da…… gesamt Hilpoltstein ist übersät mit diesen Radln.
Ich stehe wiederum ca. 1,5 Stunden und sehe einen nach dem anderen vorbeisausen – DA! – Christian nähert sich – ein lautes „Chriiiiiistiiiiiiaaaaan, Super, Du bist toll, weiter so!“ und dann mach ich mich auf die Socken zum nächsten Abschnitt: losgesprintet in Richtung Eckartsmühlen…. Das Gerenne wird langsam anstrengender, die Sonne heißer und die Leute am Streckenrad immer mehr…..überall, wirklich überall begeisterte Zuschauer, jung und alt. Nachdem Christian auch in Eckartsmühlen durch ist, zurück zur Parkwiese. Ich muss schnell machen, denn ich möchte den Wechsel zum Laufen nicht verpassen. Dazu muss ich allerdings ins 10 km entfernte Roth, dazwischen noch das Auto im Gewerbegebiet abstellen und in den Shuttlebus umsteigen. Das sind wenige Worte und wenige Sätze, diese umfassen allerdings mehr als viereinhalb Stunden gehen, rennen, hasten. 13.30 Uhr: ich habe mir eine Warteposition entlang der Strecke ausgesucht, die etwa 1 km außerhalb der Wechselzone zwei liegt: ja, da sind etwas weniger Leute, ich krieg eine gute Fotoposition. Bald weiß ich auch, warum: pralle Sonne, ca. 30 Grad und nichts zum Niedersetzen…..ich creme mich ein wenig ein, aber am Sonnenbrand ist nichts mehr zu ändern. Auf der Gegenbahn laufen nach und nach die führenden Top-Athleten in Richtung Zieleinlauf….was muss das für ein Gefühl für diejenigen sein, die jetzt, am frühen Nachmittag, in die gnadenlos langen und superheißen 42 Marathon–Kilometer starten? Ich bin immer wieder fassungslos über die mentale Stärke, die diese Menschen aufbringen. Ich trinke von meinem mittlerweile kurz vor dem Siedepunkt befindlichen Wasser – päh! – so ein Geschlatter…. Aber es bleibt keine Zeit zum Niedersetzen oder Trinken-kaufen. Ich darf ihn nicht verpassen – ich MUSS durchhalten! Und da kommt er: ja, sieht gut aus, nicht zu müde, noch leichtfüßig, nach den obligaten Fotos laufe ich einige Meter neben ihm her: „ Ja, das machst Du toll, durchhalten, nicht aufgeben, weitermachen, Du bist in der Zeit!“… und wieder sehe ich seine Rückseite….. ich muss wieder weiter. Wieder in den Bus, wieder zurück an die Rother Lände, wieder tausende Schaulustige. Der Rucksack auf meinem Rücken und die Kamera um meinen Hals werden langsam immer schwerer….. bloß einmal kurz hinsetzen, die brennenden Beine etwas ausruhen…. ist heute nicht drin. Wieder weiter, zurück nach Roth. Im Innenstadtbereich wurde eine Fanmeile aufgebaut: Sensationell, die Stimmung ist am Bersten, die Zuschauer feuern ihre Helden an, es ist kaum zu überbieten, selbst dem Stimmungsanimatuer überschlägt sich mehrmals die Stimme. Jeder einzelne wird mit dem auf der Startnummer befindlichen Vornamen begrüßt und angefeuert – die Rother verstehen es, Sport zu zelebrieren. Und dann ist es soweit: Christian kommt um die Ecke, im leichten Trab, etwas angeschlagen, aber viel besser drauf, als letztes Jahr in Klagenfurt. „Komm schon, Du kannst Deine Zeit deutlich verbessern, laß nicht nach, es sind nur noch 2 km!“…. wieder laufe ich ein paar Meter mit, dann nix wie in den Zielbereich (der leider wieder ganz in einer anderen Richtung ist)….und dann: Zielstadion: wieder brüllen die Zuschauer sich ihre sportbegeisterten Seelen aus dem Leib, die Vuvuzelas in Südafrika waren nicht halb so laut, wie die hier, in meinen Ohren pulsieren Stimmen, Lärm, Musik….wenige Minuten später, mit seiner Medaille um den Hals, kommt ein lachender Christian aus dem Finisherbereich. Es ist geschafft.......
Mein Fazit: ohne einen Schritt- oder Kilometermesser dabei gehabt zu haben, schätze ich meine Begleitdistanz zu Fuß an die 30 km……auch mein Wettkampf-Parallel-Programm dauerte bis zum Zieleinlauf und anschließendem Athleten-ins-Quartier-Rückbringdienst mehr als 14 Stunden….das nächste Mal in Roth nehm ich mir ein Fahrrad und einige zusätzliche FH OÖ Sports Team Fans mit.
Reden oder schreien kann ich an diesem Tag nämlich auch nicht mehr. Es war schön und es hat mich trotz allem: sehr gefreut!
Regina Aichinger